Häusliche Gewalt passiert meistens hinter verschlossenen Türen. Sie geht zu 80 Prozent von Männern aus und richtet sich vor allem gegen Frauen, aber auch Männer und Kinder können zu Opfern werden. Die Dunkelziffer ist hoch.
Anzeige erstatten die wenigsten Betroffenen. In diesem Artikel erfährst du, was du tun kannst und wo du Hilfe findest.
„Kannst du überhaupt mal irgendwas richtig machen? Ohne mich würdest du in der Gosse liegen, wo du hingehörst.“ Sprüche wie diese musste sich Franziska Tag ein Tag aus anhören.
Egal wie erfolgreich sie beruflich als Sales Managerin war, es genügte ihrem Mann nicht.
Als erfolgreicher Unternehmer nahm er sie mit zu Geschäftsessen und Partys. „Wenn ich dort mehr Aufmerksamkeit bekam als er, flirtete er mit anderen Frauen. Dann fing er an, sich zu betrinken. Zu Hause ist er dann komplett ausgerastet.“
Zog sie auf einem Event nicht alle Blicke auf sich, folgten Beleidigungen. „Ich sei fett und hässlich. Mit mir könne er sich nicht sehen lassen.“
Franziska ist kein Einzelfall.
Menschen aller Bildungs- und Einkommensschichten sind von häuslicher Gewalt betroffen. Partnergewalt kommt in allen Altersgruppen, bei allen Nationalitäten und Religionen sowie in allen Kulturen und bei allen sexuellen Orientierungen vor.
Es handelt sich um die häufigste Form von Gewalt gegen Frauen. Doch auch Männer sind als Opfer von seelischen und körperlichen Misshandlungen betroffen: Im Jahr 2018 wurden bundesweit 324 Frauen und 97 Männer Opfer von versuchten und vollendeten Tötungen durch ihre (ehemaligen) Beziehungspartner.
Häusliche Gewalt beinhaltet nicht nur körperliche Übergriffe.
Definition: Was ist häusliche Gewalt?
Darunter fallen sämtliche Formen psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt, die zwischen Menschen in einer häuslichen Gemeinschaft oder einer Beziehung passieren.
Dein Familienstand und deine sexuelle Orientierung spielen dabei keine Rolle.
Es macht keinen Unterschied, ob du…
- mit einem gewalttätigen Beziehungspartner verheiratet bist,
- in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebst oder
- „nur so“ mit ihm eine Partnerschaft führst.
Gewalt kann in deinen eigenen vier Wänden passieren, aber auch an anderen Orten wie auf offener Straße, am Arbeitsplatz oder in Geschäften. Wenn dein Partner beziehungsweise deine Partnerin dir seelisches oder körperliches Leid zufügt, bist du von häuslicher Gewalt betroffen.
Das gilt auch, wenn ihr euch gerade im Trennungsprozess befindet oder frisch getrennt seid.
Statistik häusliche Gewalt
Die Dunkelziffer ist hoch. Nicht alle Opfer wenden sich an die Polizei. Besonders Männer scheuen davor zurück. Sie schämen sich dafür, sich nicht gegen einen vermeintlich schwächeren Menschen durchsetzen zu können.
Laut der kriminalstatistischen Auswertung des Bundeskriminalamtes zur Partnerschaftsgewalt waren 2019 insgesamt 141.792 Menschen in Deutschland von häuslicher Gewalt betroffen. Das sind 1.027 Fälle mehr als im Vorjahr.
Über 80 Prozent der Opfer waren weiblich. Die Hälfte von ihnen lebte mit dem Täter in einem gemeinsamen Haushalt.
Es kam zu folgenden versuchten oder vollendeten Straftaten:
- Vorsätzliche, einfache Körperverletzung: 69.012 Fälle
- Gefährliche Körperverletzung: 11.991 Fälle
- Bedrohung, Stalking, Nötigung: 28.906 Fälle
- Freiheitsberaubung: 1514 Fälle
- Mord und Totschlag: 301 Fälle
Risikofaktoren: Warum passiert häusliche Gewalt?
Eigentlich sollte deine Beziehung ein Schutzraum sein. Niemand steht dir näher als dein Partner oder deine Partnerin.
Verschiedene Risikofaktoren begünstigen Gewaltausbrüche in der Familie.
Menschen, die Gewalt ausüben, waren in ihrer Kindheit und Jugend häufig selbst Opfer. Oft setzt sich die Gewaltspirale von einer Generation zur nächsten fort.
Eheprobleme, Trennungs- oder Scheidungsabsichten können ebenfalls dazu führen, dass die Situation zu Hause in einem Ehestreit eskaliert.
Weitere Risiken:
- Mangel an Zuwendung durch die eigenen Eltern,
- ein geringes Selbstwertgefühl, beispielsweise aufgrund fehlender Bildung,
- Überforderung mit der Kindererziehung,
- soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Geldsorgen,
- Drogenkonsum in der Partnerschaft (Tabletten, Alkohol, illegale Drogen),
- eine Familiengröße von über sechs Personen und
- psychische Erkrankungen.
Durch erhöhten Alkoholkonsum kann die Gewaltbereitschaft steigen. Das Verhalten von Alkoholikern in Beziehungen ist in vielen Fällen bedingt durch die Sucht.
Auch die Corona-Pandemie erhöht das Risiko häuslicher Gewalt: Existenznot, Sorge um die eigene Gesundheit, Quarantäne… Das macht Angst.
Familien verbringen gezwungenermaßen mehr Zeit zu Hause. Beruflichen Tätigkeiten und Freizeitaktivitäten nachzugehen, ist in Zeiten von Lockdowns und Ausgangssperren nur eingeschränkt möglich. Die Enge belastet und Konflikte nehmen zu. Es gibt keinen Raum mehr, um sich aus dem Weg zu gehen.
Beziehungsangst und Verunsicherung, aber auch fehlende Möglichkeiten, Nähe und Distanz zu schaffen, können zu einem Anstieg der häuslichen Gewalt führen.
Häusliche Gewalt und Corona
Vor dem Lockdown hat die 30-jährige Sonja versucht, so wenig Zeit wie möglich zu Hause zu verbringen: „Ich habe Überstunden gemacht. Nach der Arbeit war ich auf After-Work-Partys, im Fitness-Studio oder habe meine Freundinnen besucht.“
Durch die Corona-Krise war diese Flucht nicht mehr möglich. Ihr Arbeitsplatz wurde komplett ins Home-Office verlegt und die Beziehungskrise ist vorprogrammiert.
Für ihren gewalttätigen Partner eine Art Freifahrtschein: „Er brauchte sich nicht mehr bemühen, mein Gesicht auszusparen. Mich sah ja keiner mehr.“
Infolgedessen war sie der Gewalt zu Hause ununterbrochen ausgesetzt. Bis sie schließlich die Polizei rief, als die Situation komplett eskalierte.
Zahlen und Fakten zu häuslicher Gewalt in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie
Die offiziell erfassten Zahlen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Generell sind sie mit Vorsicht zu betrachten:
- In Berlin zeigt sich ein deutlicher Anstieg von gewalttätigen Übergriffen zu Hause. Die Berliner Gewaltschutzambulanz meldete im Juni 2020 einen Anstieg von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
- Ähnlich sieht es in Hamburg aus: Die Polizei nahm zwischen Januar 2020 und Juni 2020 insgesamt 2252 Fälle von Partnerschaftsgewalt mehr auf als im gleichen Zeitraum im Jahr 2019.
- In Bremen gab es laut Justizressort keinen Anstieg der Fallzahlen. Allerdings nahm die Nachfrage in Bremer Frauenhäusern zu.
- Doppelt so viele Fälle von häuslicher Gewalt wie im Vorjahr gab es im April 2020 in Mecklenburg-Vorpommern.
- Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verzeichnen rückläufige Zahlen: Laut dem Justizministerium Niedersachsen gingen die Fallzahlen von März bis Mitte Mai 2020 um 11,7 % zurück. In NRW sanken sie nach Informationen des Innenministeriums sogar um 21 Prozent.
In den übrigen Bundesländern ließ sich kein Unterschied gegenüber 2019 feststellen. Trotzdem sagt das wenig über die Realität aus. Denn die Dunkelziffer ist hoch. Häusliche Gewalt lässt sich generell nur eingeschränkt erfassen.
Dazu kommt, dass sich möglicherweise das Anzeigeverhalten bedingt durch die Pandemie verändert hat: Die üblichen sozialen Kontrollen durch Institutionen wie Kindergarten, Kindertagesstätten oder Schulen fehlten oder sind nur begrenzt machbar.
Bekannte, Kollegen, Freunde und Verwandte, aber auch Ärzte bekommen weniger von dem mit, was hinter verschlossenen Türen passiert.
Dadurch werden vermutlich weniger Fälle von außen zur Anzeige gebracht.
Wo fängt häusliche Gewalt an und welche Arten von häuslicher Gewalt gibt es?
Bei häuslicher Gewalt denkst du möglicherweise in erster Linie an Schläge und körperliche Verletzungen.
Aber ihre Erscheinungsformen sind vielfältiger und subtiler:
Dein Partner, deine Partnerin oder deine Eltern…
- ignorieren deine Bedürfnisse?
- demütigen und beleidigen dich?
- schüchtern dich ein und bedrohen dich?
- misshandeln dich seelisch, körperlich oder sexuell?
- vergewaltigen dich?
- sperren dich zu Hause ein?
Sowohl körperliche als auch psychische Gewalt stehen in Deutschland unter Strafe. Unser Grundgesetz besagt in Artikel 2: „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“
Wie entsteht häusliche Gewalt
Für häusliche Gewalt gibt es in der Regel nicht den einen konkreten Auslöser. Wenn dein Partner dich demütigt oder schlägt, versucht er, Macht über dich zu bekommen.
Oft beginnt häusliche Gewalt nicht sofort mit körperlichen Übergriffen. Der gesamte Prozess entwickelt sich schleichend.
Es gibt gewisse Warnsignale, auf die du achten kannst:
- Reagiert dein Lebensgefährte oder Ehemann übertrieben eifersüchtig?
- Versucht er, deine sozialen Kontakte einzuschränken?
- Kontrolliert er dich?
Dahinter steckt ein schwaches Selbstwertgefühl. Wahrscheinlich hat er Angst, dass du ihn verlassen könntest.
In diesem Fall ist Vorsicht geboten. Hier besteht die Gefahr, dass er zu weit geht. Durch eine rechtzeitige Therapie könnt ihr einer Gewalteskalation möglicherweise entgegenwirken.
Meistens gibt es bei häuslicher Gewalt ein bestimmtes Muster:
- Es kommt zu einem Gewaltausbruch dir gegenüber.
- Danach entschuldigt sich dein Partner. Vielleicht gibt er sich reuig und verspricht, dass es nie wieder vorkommt. Vielleicht macht er dir Geschenke und bemüht sich intensiv um dich.
- Du glaubst an einen „einmaligen Ausrutscher“ und verzeihst ihm.
- Die Situation beruhigt und entspannt sich.
- Aber dann wird er erneut gewalttätig dir gegenüber – und alles beginnt wieder von vorn.
Oft werden die Abstände zwischen den Gewalttaten immer kürzer. Die Intensität der Gewaltausbrüche nimmt gleichzeitig zu. Bei häuslicher Gewalt handelt es sich in den meisten Fällen nicht um einen isolierten Ausnahmefall.
Der „einmalige Fehltritt“ wird meistens zur Gewohnheit.
Häusliche Gewalt gegen Frauen
In Deutschland erlebt ein Viertel aller Frauen zwischen 16 und 85 Jahren irgendwann häusliche Gewalt. Die Täter erscheinen vor anderen Menschen unauffällig.
Vermutlich sieht niemand deinem Partner an, dass er dich hinter verschlossenen Türen misshandelt, demütigt oder vergewaltigt.
Nicht immer zeigt sich die häusliche Gewalt in Form von körperlichen oder sexuellen Übergriffen.
Arten von Gewalt gegenüber Frauen
Häusliche Gewalt kann viele Formen haben:
- Dein (Ex)Partner beleidigt dich und/oder macht dich vor anderen Menschen schlecht.
- Er wird jähzornig, beschädigt oder zerstört dein Eigentum.
- Er droht, deine Kinder, deine Haustiere oder dir nahestehende Menschen zu schädigen.
- Dein Mann verbietet dir freundschaftliche Kontakte.
- Er sperrt dich zu Hause ein.
- Er kontrolliert deine finanziellen Ausgaben, dein Handy und deine Arbeitszeiten.
- Während euer Trennung terrorisiert er dich, lauert vor deiner Haustür oder bombardiert dich mit Anrufen, Nachrichten und Mails.
Hilfe bei häuslicher Gewalt: Anlaufstellen für Frauen
Bist du von Gewalt bedroht? Bitte hol dir professionelle Hilfe! Es gibt verschiedene Stellen, an die du dich wenden kannst:
- Ruf die Polizei, wenn du in Gefahr bist. Über die Nummer 110 erreichst du sofort jemanden.
- Melde dich bei einer Frauenberatungsstelle oder bei einem Frauenhaus. Dort kannst du vorübergehend – auch mit deinen Kindern – unterkommen. Die Frauenhauskoordinierung erreichst du unter frauenhauskoordinierung.de.
- Es gibt Interventionsstellen für Opfer häuslicher Gewalt, unabhängig von deinem Geschlecht.
- Auch Ehe- und Familienberatungsstellen können dir helfen.
- Die Opferhilfeorganisation WEISSER RING e.V. kannst du online unter www.weisser-ring.de kontaktieren oder unter der Telefonnummer 116 006 erreichen.
- Zusätzlich kannst du dich rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge unter (0800) 111 0111 oder (0800) 111 0222 aussprechen.
- Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet in mehreren Sprachen Unterstützung an. Die Beratung ist anonym und kostenlos. Eine Dolmetscherin steht dir zur Seite, wenn du nicht gut Deutsch sprichst.
Häusliche Gewalt gegen Männer
Partnergewalt gegen Männer ist nach wie vor ein Tabu-Thema. Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass ein Mann von einer – meist körperlich schwächeren – Frau verbale Gewalt erfährt oder gar körperlich verletzt wird.
Leidest du als Mann unter einer gewalttätigen Ehefrau oder Partnerin?
Damit bist du nicht allein: Mindestens eine Million Männer in Deutschland erleben regelmäßig häusliche Gewalt durch ihre (Ex)-Beziehungspartnerin.
Einer Auswertung des Bundeskriminalamts zufolge (2018) sind beinahe 20 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt männlich. Experten vermuten eine hohe Dunkelziffer.
Die wenigsten männlichen Betroffenen sprechen offen über ihre Gewalterfahrungen. Teilweise ist die von Frauen ausgeübte Gewalt weniger offensichtlich als die von Männern. Sie greifen nicht unbedingt zu körperlicher Gewalt.
Sie terrorisieren ihren Partner oder Ex-Partner überwiegend seelisch.
Laut der britischen Hilfsorganisation „ManKind Initiative“ gibt es für das Schweigen der Männer vor allem folgende Gründe:
- Männer sehen sich nicht als Opfer. Ihrem Selbstbild nach sind sie stark (Mythos des starken Mannes).
- Sie schämen sich, wenn sie das Opfer einer schwächeren Person sind.
- Männer wollen sich vor Verwandten, Kollegen, Freunden und Bekannten keine Blöße geben.
- Sie befürchten, dass die Polizei sie nicht ernst nimmt.
- Außerdem wissen Männer häufig nicht, an welche Beratungsstellen sie sich mit ihrem Problem wenden können.
Zweieinhalb Jahre dauert es durchschnittlich, bis sich ein von Gewalt betroffener Mann Hilfe von außen holt. Meistens vertrauen sie sich eher einem Freund, Kollegen oder einem Arzt an als Hilfsorganisationen oder der Polizei.
Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf Männer
Partnergewalt hinterlässt auch bei Männern Spuren: Sie leiden unter Stress und einem verminderten Selbstwertgefühl. Manchmal sind dann Drogen und Alkohol wichtiger als die Beziehung. Dazu kommen Furcht, Scham und Wut.
Seelische Verletzungen führen bei vielen Betroffenen zu Depressionen. Angsterkrankungen und Suizidgedanken sind ebenfalls häufig zu beobachten.
Hilfe bei häuslicher Gewalt: Anlaufstellen für Männer
Wenn du als Mann Opfer von Partnergewalt bist, erstatte Strafanzeige. Das kannst du bei jeder Polizeidienststelle tun.
Falls du körperliche Verletzungen erlitten hast, dokumentiere den Vorfall mit Datum und Uhrzeit. Wende dich an einen Arzt oder eine Ärztin, der du vertraust. Lass dich medizinisch versorgen und erzähle, was passiert ist.
Dann hast du eine verlässliche Dokumentation, auf die du zurückgreifen kannst.
Zusätzlich hast du die Möglichkeit, einen Antrag auf Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zu stellen. Dafür hast du bis zu drei Monate nach der Tat Zeit. Wende dich an die Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts.
Beratung, Hilfe und Unterstützung findest du auch bei diesen Anlaufstationen:
- Der Weisse Ring e.V. hat spezielle Hilfsangebote für Gewalt gegen Männer. Du erreichst die Organisation online unter www.weisser-ring.de oder unter der Telefonnummer 116 006.
- Die Opferhilfe Berlin e.V. bietet mehrsprachige Unterstützung. Eine Beratung kannst du vor Ort, telefonisch unter (030) 395 28 67, aber auch online in Anspruch nehmen.
- Telefonische Gesprächs- und Beratungsangebote gibt es rund um die Uhr bei der BIG-Hotline unter (030) 611 0300 anrufen. Heterosexuelle männliche Opfer von häuslicher Gewalt werden von der BIG an die Opferhilfe Berlin e.V. weitergeleitet. Homosexuelle und bisexuelle Opfer von Partnergewalt werden zu MANEO vermittelt. Das Anti-Gewalt-Projekt in Berlin unterstützt auch Zeugen und Angehörige. Die Beratung findet mehrsprachig statt.
Wenn du die Wohnung oder das Haus verlassen musst, kannst du versuchen, in einer Schutzwohnung unterzukommen. Diese ist mit einem Frauenhaus vergleichbar.
Bislang gibt es bundesweit sieben Unterkünfte mit insgesamt 18 Plätzen dieser Art für Männer und ihre Kinder.
Häusliche Gewalt gegen Kinder
Bist du als Kind oder Jugendliche*r von häuslicher Gewalt betroffen?
Laut der Definition der UNICEF beginnt Gewalt bereits, wenn deine Grundbedürfnisse missachtet werden. Dazu gehört, dass du regelmäßig etwas zu essen bekommst, gesundheitlich versorgt wirst und in einem sicheren Umfeld aufwächst.
Deine Eltern sollten respektvoll mit dir umgehen. Sie dürfen dich nicht anschreien, erniedrigen und beleidigen. Sie haben auch nicht das Recht, dich zu schlagen oder dir weh zu tun.
Es ist ihre Aufgabe, dich zu erziehen und bestmöglich beim Erwachsenwerden zu unterstützen.
Arten von Gewalt gegenüber Kindern
Bei Gewalt gegen Kinder wird zwischen unterschiedlichen Arten unterschieden:
- Körperliche Misshandlung: Schlagen mit Händen und Gegenständen, Schütteln, Stoßen, Verbrühen und Vergiften
- Sexualisierte Gewalt: sexuelle Handlungen, die du nicht willst oder gegen die du dich nicht wehren kannst
- Emotionale Misshandlung: Anschreien, Liebesentzug, Verachtung, Beleidigungen
- Vernachlässigung: Verweigern von körperlichen Bedürfnissen im Bereich der Gesundheit, emotionalen Entwicklung und Ernährung, Verweigern von Bildung
Die unterschiedlichen Arten von Gewalt treten oft gemeinsam auf. Eine klare Abgrenzung ist nicht immer möglich.
Durch das gewalttätige Verhalten deiner Eltern dir gegenüber fühlst du dich möglicherweise wertlos. Vielleicht machst du dir sogar Vorwürfe. Oder du fragst dich, was du falsch gemacht hast.
Was passiert, ist nicht deine Schuld.
Deine Eltern verhalten sich falsch. Du brauchst dringend Hilfe.
Hilfe bei häuslicher Gewalt: Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche
Deine Eltern schlagen, beleidigen oder vernachlässigen dich? Manchmal ist dir einfach alles zu viel?
Wenn du dich zu Hause bedroht fühlst oder Gewalt zwischen deinen Eltern miterlebst, hol dir Unterstützung!
- Telefonische Hilfe: Unter (0800) 111 0333 erreichst du das Kinder- und Jugendtelefon. Dort bekommst du anonym und kostenlos Hilfe. Von montags bis samstags sind zwischen 14 Uhr und 20 Uhr Menschen für dich da.
- Online-Hilfe: Du möchtest lieber nicht telefonieren? Online bekommst du Unterstützung unter www.youth-life-line.de
- Direkte Hilfe: Du kannst auch zum Jugendamt in deiner Heimatstadt gehen. Dort helfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dir weiter! Oder geh direkt zur Polizei in deinem Heimatort.
Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf Kinder
Wenn du als Zeugin mitbekommst, dass ein Kind häusliche Gewalt erfährt oder miterlebt, solltest du handeln.
Kinder leiden lebenslang unter den Folgen von Gewalt. Selbst wenn keine äußerlich sichtbaren Verletzungen bleiben, hinterlässt das Erlebte tiefe seelische Wunden.
Sie sind zu Hause starkem Stress ausgesetzt. Ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit wird nicht erfüllt. Das hat Einfluss auf ihre intellektuelle, psychische und körperliche Entwicklung. Viele von Gewalt betroffene Mädchen und Jungen empfinden sich als wertlos.
Darum entwickeln sie wenig oder kein Selbstvertrauen. Mögliche Folgen sind ein niedriger Bildungsgrad, Ängste und Depressionen. Auch spätere Beziehungprobleme und Bindungsangst können entstehen.
Wenn diese Kinder selbst zu Eltern werden, setzt sich die Gewaltspirale möglicherweise fort.
Darum ist es wichtig, betroffene Kinder frühzeitig zu unterstützen und ihnen zu helfen, das Erlebte zu verarbeiten. Es hilft, wenn sie durch erwachsene Menschen Anerkennung und Hilfe bekommen.
Schau also nicht weg! Wende dich an eine Hilfsorganisation oder schalte direkt die Polizei und das Jugendamt ein.
Kinder als Zeugen häuslicher Gewalt
Manchmal erleben Kinder und Jugendliche Gewalt von einem Elternteil gegenüber dem anderen hautnah mit. Vielleicht hören sie euch streiten. Oder sie erleben mit, wie du von deinem Ehemann oder deiner Ehefrau gedemütigt, beleidigt und misshandelt wirst.
Das hat auf Kinder unterschiedliche Auswirkungen:
- Schamgefühle: Oft schämen sich Kinder in diesen Fällen für ihre Eltern. Gleichzeitig haben sie Angst um ihre Familie. Das macht es ihnen schwer, sich jemandem außerhalb ihrer Familie gegenüber zu öffnen.
- Schuldgefühle: Manchmal geben sich Kinder selbst die Schuld am Verhalten ihrer Eltern. Sie denken, dass sie der Auslöser für Wut und Gewalt sind.
- Druck: Kinder versuchen, Aufgaben zu übernehmen, die du als Opfer von Partnergewalt nicht mehr wahrnehmen kannst. Das bedeutet für sie eine große Belastung.
- Gefahr: Manchmal versuchen Kinder und Jugendliche aktiv einzuschreiten. Sie versuchen, den gewalttätigen Elternteil zur Vernunft zu bringen oder stellen sich ihnen körperlich entgegen. Bei dem Versuch, Mutter der Vater zu schützen, bringen sie sich schlimmstenfalls selbst in Gefahr.
- Auswirkungen auf das eigene Konfliktverhalten: Eltern haben eine Vorbildfunktion für ihre Kinder. Junge Menschen lernen durch Nachahmung. Wenn sie erleben, dass Gewalt in eurer Familie zum Alltag gehört, übernehmen sie dieses Verhalten möglicherweise als Erwachsene selbst.
Kinder brauchen die Erfahrung, dass sich Konflikte respektvoll und gewaltfrei austragen lassen. Darum ist eine qualifizierte Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Gewalterfahrungen entscheidend.
Deine erste Anlaufstelle ist hier das Jugendamt in deiner Stadt. Aber auch der Vertrauenslehrer in der Schule, Erzieherinnen in Frauenhäusern oder Angebote von Traumazentren für Kinder und Jugendliche können dir weiterhelfen.
Häusliche Gewalt und polizeiliches Handeln
Vermutlich fragst du dich, was eigentlich passiert, wenn du in einer Notsituation tatsächlich die Polizei rufst.
Das Leitmotiv des Staates lautet: „Wer schlägt, der geht!“ Im Jahr 2002 trat das Gewaltschutzgesetz in Kraft. Es konzentriert sich auf den Schutz vor Gewalt im privaten und häuslichen Umfeld.
In diesem Zusammenhang wurden die Polizeigesetze erweitert: Die Polizei hat die Befugnis, deinen gewalttätigen Partner aus eurer gemeinsamen Wohnung oder aus eurem Haus zu verweisen.
Dein Ehemann nimmt den Wohnungsverweis nicht ernst? Hält er sich nicht daran, drohen ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft. Sollte er versuchen, sich während des Rückkehrverbots Zutritt zu verschaffen, informiere unbedingt die Polizei.
Während des Betretungsverbotes hast du Luft zum Atmen und kannst die Gelegenheit nutzen und dich beraten lassen. Nimm unbedingt Hilfe und Unterstützung in Anspruch! Das gibt dir die Möglichkeit zu entscheiden, wie es weitergehen soll.
Nach Ende des Betretungsverbotes kannst du eine einstweilige Verfügung erreichen.
Außenblick: Wie erkenne ich als unbeteiligte Person häusliche Gewalt?
Nicht immer sind bei Opfern von häuslicher Gewalt Verletzungen zu sehen. Manche Täter achten darauf, keine sichtbaren Spuren zu hinterlassen. Seelische Wunden sind sowieso unsichtbar.
Manchmal entwickeln sich bei Betroffenen psychosomatische Beschwerden wie Angst- und Panikattacken, Schlafstörungen, Depressionen, Essstörungen, Suchtverhalten und Suizidalität.
Opfer von häuslicher Gewalt leiden oft unter chronischen Schmerzzuständen.
Es gibt gewisse Warnzeichen, auf die du achten kannst:
- Wirkt eine normalerweise selbstsichere Freundin oder Kollegin plötzlich unruhig und nervös? Oder ist sie auffallend häufig gereizt?
- Fallen dir Gewichtsschwankungen auf? Wenn Frauen plötzlich viel Gewicht verlieren oder zunehmen, deutet das meistens auf Probleme hin.
- Vielleicht greift sie zu Suchtmitteln wie Alkohol, Zigaretten oder Tabletten.
- Auch intensive Erschöpfung kann auf häusliche Gewalt hindeuten.
- Vielleicht siehst du körperliche Verletzungen, die sie mit unglaubwürdigen Erklärungen begründet.
- Möglicherweise hat deine Freundin auf einmal keine Zeit mehr.
- Eventuell ist ihr Ehemann auffällig aufmerksam: Er weicht nicht von ihrer Seite. Oder er macht sie öffentlich vor anderen schlecht. Es kann sein, dass er sie nicht aus dem Haus gehen lässt, um Freunde und Familie zu treffen.
Was du als Zeugin tun kannst
Vielleicht bist du selbst nicht Opfer häuslicher Gewalt, bekommst aber bei einer Freundin, einer Bekannten oder Kollegin mit, dass etwas nicht stimmt. Vermutlich fragst du dich, wie du mit dieser Situation am besten umgehen kannst.
Wir haben die wichtigsten Tipps hier für dich zusammengestellt:
- Initiative ergreifen: Geh aktiv auf die betroffene Person zu und suche das Gespräch. Sei konkret und direkt: „Ich habe die Vermutung, dass du von deinem Partner verletzt oder bedroht wirst.“
- Zu Offenheit ermutigen: Sei verständnisvoll. Ermutige deine Freundin, Bekannte oder Kollegin zum Reden.
- Position beziehen: Verdeutliche, dass Gewalt nicht in Ordnung ist und dass der Täter für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden muss.
- Hilfsmöglichkeiten nennen: Informiere über Hilfsangebote. Setze die von Gewalt betroffene Person aber nicht unter Druck. Respektiere ihr Tempo.
- Ansprechpartnerin bleiben: Zeige, dass du deiner Freundin, Bekannten oder Kollegin zur Seite stehst.
10 Tipps zur Selbsthilfe bei häuslicher Gewalt
Wenn dein Partner dir gegenüber gewalttätig wird, gibt es häufig ein bestimmtes Muster:
Jenny und ihr Ehemann Anton führen gemeinsam einen Betrieb. Sie arbeitet aktiv im Unternehmen, er kontrolliert die Zahlen. Am Wochenende zieht sich Anton in sein Home-Office zurück, macht die Buchführung und trinkt.
Mit den Ergebnissen ist er nie zufrieden. Irgendwann legt er eine CD mit aggressiver Musik ein. Dann weiß sie, was kommt…
Er ist betrunken, beschimpft, beleidigt und demütigt sie. Wenn sie versucht, sich verbal zu verteidigen, wird er laut und schlägt irgendwann zu.
In nüchternem Zustand will er von Problemen nichts hören. Sein Standard-Satz: „Andere Paare haben viel mehr Probleme als wir.“ Sie weigert sich, weiter mit ihm in einem Bett zu schlafen. Seine Nähe widert sie an.
Er macht Druck. Sex gehöre zu einer Ehe dazu. Sie hätte nicht das Recht, sich zu verweigern…
Bist du in einer ähnlichen Situation?
Diese Tipps helfen dir dabei, dich aus der Gewaltspirale zu befreien:
- Behalte dein Handy bei dir: Sorge dafür, dass es aufgeladen ist.
- Wähle den Notruf: In einer akute Gefahrensituation wähle die Nummer 110. Nenne deinen Namen und deine Adresse. Informiere die Polizei darüber, dass du sofort Hilfe brauchst. Gib so viele Informationen wie möglich: Bist du verletzt? Sind Kinder bei dir? Ist der Täter noch im Haus? Gibt es eine Waffe?
- Bring dich und deine Kinder in Sicherheit: Sperr dich mit deinen Kindern in ein Zimmer ein. Lauft zu den Nachbarn. Hauptsache, der Täter kann euch nicht verletzen.
- Wende dich an die Polizei: Wenn dein Partner dir gegenüber gewalttätig ist, erstatte Strafzeige bei der Polizei. Du möchtest nicht allein gehen? Nimm eine Freundin oder eine Anwältin mit.
- Zieh andere Menschen ins Vertrauen: Auch Nachbarn können den Fall zur Anzeige bringen. Es ist sogar möglich, häusliche Gewalt anonym zu melden. Dann muss die Polizei ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einleiten.
- Kontaktiere eine Beratungsstelle für häusliche Gewalt: Wende dich beispielsweise an das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter (0800) 116 016.
- Vorfälle dokumentieren: Notiere Datum, Uhrzeit und was genau passiert ist. Sammele Beweise. Das können auch Fotos und Videos sein.
- Ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen: Du hast körperliche Verletzungen? Geh zu einer Ärztin oder einem Arzt deines Vertrauens. Berichte, was passiert ist. Bitte darum, die Verletzungen genau zu dokumentieren, damit sie im Falle einer Strafanzeige als Beweismittel dienen können.
- Papiere und Geld vorbereiten: Such die wichtigsten Dokumente zusammen. Lege – wenn möglich – Geld auf die Seite. Am besten packst du eine Tasche, die du nur greifen musst, wenn du deinen gewalttätigen Ehemann tatsächlich verlässt.
- Geh vorübergehend in ein Frauenhaus: Falls du bedroht wirst und Angst hast, wende dich an ein Frauenhaus. Dort kannst du mit deinen Kindern unterkommen. Die Mitarbeiterinnen dort beraten und unterstützen dich.
Welche Strafe erwartet den Täter?
„Häusliche Gewalt“ ist ein Sammelbegriff für viele unterschiedliche Gewalthandlungen. Diese werden laut Strafgesetzbuch (StGB) unterschiedlich bestraft.
Das tatsächliche Strafmaß hängt also vom individuellen Einzelfall ab.
Bei Partnergewalt oder bei Gewalt Eltern ihren Kindern gegenüber gibt es vielfältige Gewalthandlungen.
Körperliche Übergriffe beinhalten unter anderem…
- Ohrfeigen,
- Schlagen mit Gegenständen,
- Verprügeln,
- Verletzungen durch Waffen,
- Missbrauch, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung.
Die konkreten Taten entscheiden über die Strafe.
Strafmaß laut StGB
Der Straftatbestand „häusliche Gewalt“ kommt innerhalb des Strafgesetzbuches nicht vor. Dafür sind die potenziell möglichen strafbaren Handlungen zu vielfältig.
Infrage kommt eine Bestrafung des Täters nach folgenden Paragrafen:
- 241 StGB (Bedrohung)
- 223 StGB (einfache Körperverletzung)
- 224 StGB (gefährliche Körperverletzung)
- 176 Abs. 1 StGB (sexueller Missbrauch an Kindern)
Liegt eine „leichte Körperverletzung“ gemäß § 223 StGB muss der Täter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen.
Für eine „Bedrohung“ laut § 241 StGB droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Gibt es unterschiedliche Tatbestände? Dann kann sich die Strafe dementsprechend erhöhen.
Maßnahmen nach Gewaltschutzgesetz (GewSchg)
Zusätzlich zum Strafgesetzbuch findet das Gewaltschutzgesetz (GewSchg) Anwendung. Dadurch erhalten die Opfer häuslicher Gewalt einen besseren Schutz gegenüber dem Täter. Das Familiengericht kann dem Täter verbieten, sich dem Opfer zu nähern.
Hier gelten die Verjährungsfristen gemäß § 78 StGB. Entscheidend ist das mögliche Höchstmaß der Strafe für die jeweilige Tat.
Angenommen, deinem gewalttätigen Partner droht eine Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren. Dann verjährt seine Tat nach fünf Jahren, wenn du sie nicht zur Anzeige bringst.
Bei sexuellem Missbrauch an Kindern (§ 176 Abs. 1 StGB) und gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.
Fazit
Häusliche Gewalt hat viele Gesichter. Opfer kann jeder Mensch werden, unabhängig vom Bildungsgrad, Geschlecht, Alter, Kultur und Religion. Eine Co-Abhängigkeit in der Beziehung kann entstehen und du hast das Gefühl, dich nicht mehr lösen zu können und ohne deinen Mann hilflos zu sein.
Wichtig ist, entschieden gegen die Täter und Täterinnen vorzugehen: Gewalt ist gesetzlich verboten. Das gilt für psychische, physische und sexuelle Gewalt.
Auch die Opfer brauchen Hilfe, um die erlittene häusliche Gewalt zu verarbeiten. Wenn du selbst betroffen bist, hol dir Hilfe! Es gibt keinen Grund dafür, dich zu schämen. Leider sind Gewalterfahrungen in den eigenen vier Wänden keine Seltenheit.
Aber du kannst ausbrechen und dich davon befreien.