„Ich irre mich nicht. Du bist nur zu doof, um zu kapieren, was ich sage.“ Verbale Gewalt bedeutet nicht unbedingt, dass dein Partner dich anschreit. Die Verletzung passiert oft viel subtiler: Hier ein böser Kommentar, da ein zynischer Spruch. Gerade Frauen werden in Beziehungen Opfer verbaler Gewalt.
Verhält sich dein Partner dir gegenüber häufig respektlos? Fühlst du dich durch seine Wortwahl oder seine Art, mit dir zu reden, gedemütigt? Wir erklären die Hintergründe von verbaler Gewalt und geben dir Tipps, wie du mit dieser schwierigen Situation umgehen kannst.
Was ist verbale Gewalt?
Definition
Sprache kann tief verletzen. Wenn dein Freund dich mit Worten beleidigt, demütigt, dich lächerlich macht oder bloßstellt, wendet er verbale Gewalt an.
Vielleicht verhält er sich dir gegenüber besonders abwertend, wenn ihr allein seid. Dann gibt es keine Zeugen für sein Verhalten. Oder er legt ein passiv-aggressives Verhalten an den Tag und quält dich mit Machtspielchen. Auf andere kann das harmlos wirken. Für dich ist es möglicherweise die Hölle.
Es gibt unterschiedliche Formen von häuslicher Gewalt. Bevor jemand in einer Ehe oder Partnerschaft die Hand erhebt und zuschlägt, hat er seine Frau und Kinder meist jahrelang emotional misshandelt. Oft, ohne dass es jemand mitbekommen hat.
Anders als bei körperlichen Übergriffen sind die Spuren nicht sichtbar. Aber sprachliche Grausamkeiten richten emotional massiven Schaden an.
Verbale Gewalt findet überall statt:
- Zwischen Eltern und Kindern,
- als Mobbing in der Schule,
- am Arbeitsplatz unter Kollegen,
- in der Pflege
- und in der Partnerschaft.
Häufigkeit
Psychische beziehungsweise verbale Gewalt kommt häufiger vor als körperliche.
Laut der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) war 2012…
- jede/r fünfte erwachsene Deutsche Opfer psychischer Gewalt.
- jede/r zwanzigste von körperlicher Gewalt betroffen.
Formen
Vielleicht fragst du dich, wo die Grenzen sind, und ob du nicht zu empfindlich reagierst – schließlich gibt es in jeder Beziehung Konflikte. Möglicherweise rutscht deinem Freund bei einem Streit in der Hitze des Gefechts eine verletzende Bemerkung heraus. Hinterher tut ihm das Gesagte (aufrichtig!) leid und ihr versöhnt euch wieder. Kein Problem. Dir passiert das vermutlich ab und zu auch.
Zum Problem wird es, wenn das zum Normalzustand wird.
Wirft er dir jeden Tag Beleidigungen an den Kopf? Kritisiert er dein Aussehen, deine Figur, deine Kochkunst, deine Art zu denken, deine Arbeit? Hält er dir deine Fehler endlos vor, obwohl du dich bereits dafür entschuldigt hast? Demütigt er dich vor anderen? Gibt er dir für Dinge die Schuld, die du nicht beeinflussen kannst?
All das sind Zeichen für sprachliche Misshandlung.
Anders gesagt: Psychischer Missbrauch beginnt, wenn jemand dich bewusst mit Worten verletzt und erniedrigt, um dich kleinzumachen.
Beispiele:
- Wutausbrüche und Geschrei
- Beleidigungen, abwertende Äußerungen, verletzende Vergleiche („Deine Freundin sieht wenigstens sexy aus!“)
- Destruktive Kritik („Das kriegst du sowieso nie hin.“)
- Befehle erteilen und erwarten, dass sie sofort befolgt werden
- verbale Respektlosigkeiten, unhöfliche, herablassende Kommentare
- Bevormundung
- Zynismus und Ironie
- Einschüchterungen und Drohungen („Wenn du nichts tust, was ich sage, dann…“)
- Vorwürfe („Du bringst mich dazu, so aggressiv zu werden!“ / „Es ist deine Schuld, dass ich so ausraste!“)
- Empathielosigkeit: Deine Gefühle werden nicht ernstgenommen („Das bildest du dir nur ein.“ / „Du stellst dich an.“ / „Mach hier nicht auf Drama-Queen.“)
- Totschweigen: Nach einem Streit redet er Stunden, Tage oder sogar Wochen kein Wort mit dir, ist aber betont freundlich und kommunikativ zu anderen (nonverbale Gewalt).
Auf diese Beispiele geht vor allem die renommierte Buchautorin und Spezialistin für zwischenmenschliche Kommunikation, Patricia Evans, in ihrem Buch „The Verbally Abusive Relationship“ ein.
Sprachliche Aggressivität im Alltag
Vielleicht behandelt dein Partner dich vor allem schlecht, wenn ihr allein seid. In Gegenwart anderer reißt er sich dir gegenüber zusammen oder ignoriert dich. Möglicherweise wirkt er in der Öffentlichkeit wie ein anderer Mensch: charmant, offen, kommunikativ. Niemand erlebt ihn als so bösartig und hinterhältig wie du in eurem häuslichen Umfeld.
Das macht es dir vermutlich besonders schwer, dich jemandem anzuvertrauen. Vielleicht befürchtest du, dass dir sowieso niemand glauben wird.
Häufig spielen Männer ihr verletzendes Verhalten im Nachhinein herunter. Vielleicht verhält sich dein Partner, als sei nichts gewesen. Vielleicht verharmlost er seine Beleidigungen, wenn du ihn darauf ansprichst („Das war nicht so gemeint, du machst aber auch aus jeder Mücke einen Elefanten.“)
Dann herrscht eine Zeitlang Ruhe. Bis zur nächsten Entgleisung. Seine Angriffe können in einen zermürbenden Psychoterror ausarten. Möglicherweise lebst du jetzt schon in ständiger Angst vor seinem nächsten Wutanfall, bösen Sprüchen und verletzenden Kommentaren.
Warum wenden manche Menschen verbale Gewalt an?
Wenn dein Lebensgefährte dich durch seine Art, mit dir zu kommunizieren, erniedrigt, versucht er damit zwei Dinge:
- Er möchte dich kleinmachen.
- Er versucht, sich selbst aufzuwerten.
Auch beharrliches Schweigen ist eine Form von Machtdemonstration und psychischer Gewalt. Du hast etwas getan, was deinem Freund nicht gefällt und er spricht daraufhin kein Wort mehr mit dir?
Mit diesem Liebesentzug übt er emotionale Gewalt über dich aus. Er verweigert die Kommunikation. Damit ist keine konstruktive Auseinandersetzung mehr möglich. Bildlich gesprochen lässt er dich am ausgestreckten Arm verhungern.
Warum er sich so verhält? Das Wichtigste zuerst: Mit dir hat seine Gewalttätigkeit höchstwahrscheinlich nichts zu tun! Du trägst daran meist keine Schuld.
In vielen Fällen steckt ein schwaches Selbstwertgefühl dahinter. Möglicherweise war dein Freund in seiner Kindheit selbst ein Opfer von sprachlichen Verletzungen. Vielleicht ist er (aus diesem Grund) nicht in der Lage, eine Partnerschaft einzugehen, die auf Gleichberechtigung beruht. Er hat eventuell nie gelernt, Konflikte auf Augenhöhe auszutragen.
Er möchte in eurer Beziehung die Oberhand behalten.
Verbale Gewalt – wie wirkt sie sich aus?
Psychische Gewalt ist weniger sichtbar als körperliche Gewalt. Aber sie zerstört nach und nach dein Selbstwertgefühl und dein Selbstbewusstsein.
Wenn du unter verbaler Gewalt leidest, fühlst du dich vielleicht wie abgeschnitten von deinen Empfindungen. Dein Freund ersetzt dein Selbstbild durch sein negatives Fremdbild. Das heißt, du fängst möglicherweise an, wirklich an dir und deinen Fähigkeiten zu zweifeln. Vielleicht fühlst du dich wertlos und ziehst dich von Freunden und deiner Familie zurück.
Das wäre allerdings ein großer Fehler. Du brauchst eigene Kontakte. Je abhängiger du von ihm wirst, desto mehr Macht hat er über dich.
Tipps zum Umgang mit sprachlichen Aggressionen
Verbale Gewalt in Beziehungen wird öffentlich kaum diskutiert. Das Problem wird häufig als „normaler Ehekrach“ abgetan und unterschätzt. Versuch, dieses gesellschaftliche Tabu zu durchbrechen: Sprich mit anderen Menschen über deine Erfahrungen!
Wichtig ist, dass du dir immer wieder bewusst machst: Seine Entgleisungen sind nicht deine Schuld. Dein Freund, Ehepartner oder Lebensgefährte hat nicht das Recht, seine Wut und Frustration an dir auszulassen. Wichtig in einer Beziehung ist, dass ihr euch partnerschaftlich und liebevoll begegnen dürft. Wenn er dich beschimpft, anschreit, dich mit zynischen Kommentaren oder Häme quält, nimmt er dich als Person nicht ernst.
Sprich mit deinen Freundinnen und Freunden oder mit anderen Vertrauenspersonen über die Situation. Lass nicht zu, dass dich dein Mann oder Lebensgefährte von deinem sozialen Netz abschneidet.
Du hast keinen Grund, dich zu schämen für das, was passiert. Schämen sollte sich allenfalls dein Partner. Es kann dir helfen, dich auszusprechen und Feedback von Außenstehenden zu bekommen. Möglicherweise ist dir nicht bewusst, dass das Verhalten deines Freundes bereits eine seelische Misshandlung darstellt.
Strategien: So kannst du mit mündlicher Aggression umgehen
1. Unterbrich deinen Partner, ohne inhaltlich auf das Gesagte einzugehen.
Verteidige dich nicht. Damit würdest du deinem Lebensgefährten zeigen, dass du ihn ernst nimmst.
Mögliche Reaktionen:
- „Hör auf, so mit mir zu reden / mich zu beschimpfen.“
- „Ich gehe jetzt. Wir können später reden, wenn du nicht mehr so wütend bist.“ Verlass das Zimmer. Du hast Angst, dass die Situation eskaliert? Dann ist es sicherer, für ein paar Stunden aus dem Haus zu gehen.
2. Diskutiere nicht inhaltlich mit ihm. Das hat keinen Sinn.
Er möchte einen Streit provozieren. Aber diese Wortgefechte führen zu nichts. Es tut eurer Beziehung nicht gut, wenn du dich auf seine Ebene begibst und ihn auch anschreist oder beleidigst. Das löst das Problem nicht.
Mach deinem Partner mit ruhiger, möglichst fester Stimme bewusst, dass du dich nicht weiter beleidigen, beschimpfen oder quälen lässt. Entzieh dich der Situation. Verlasse das Zimmer oder die Wohnung.
Hat er sich wieder beruhigt, sollte er wissen, dass du darüber nachdenkst, ihn zu verlassen, wenn er nicht aufhört, dich anzugreifen und zu erniedrigen.
Mögliche Reaktionen:
- „Tut mir leid, dass du es so siehst. Aber ich werde mich nicht länger beleidigen lassen. Ich gehe jetzt.“
- „Ich sehe das nicht so. Und so lasse ich nicht länger mit mir reden.“
3. Erkläre deinem Partner in einer ruhigen Minute, dass dich sein Verhalten verletzt.
„Es tut mir leid, Schatz. Das kommt nicht wieder vor. Du weißt doch, dass ich dich liebe.“ Falls er so oder in ähnlicher Form reagiert, schlage ihm eine (Paar)Therapie vor. Ist er bereit, mit professioneller Hilfe an seinen Aggressionen zu arbeiten? Dann möchte er sein Verhalten dir gegenüber tatsächlich ändern. Dann hat eure Beziehung eine Chance.
4. Bereite dich darauf vor, ihn tatsächlich zu verlassen.
Aus verbaler Gewalt kann körperliche werden. Oft schaukelt sich die Situation immer weiter auf, bis es zu körperlichen Übergriffen kommt. Vielleicht bist du gezwungen, die Wohnung sehr schnell zu verlassen, um dich (oder deine Kinder) zu schützen. Mach dir einen Plan. Pack eine Tasche für diesen Notfall.
Sprich frühzeitig mit einer Freundin, deinen Eltern oder mit Arbeitskolleginnen und -kollegen, denen du vertraust. Vielleicht kannst du im Ernstfall vorübergehend bei ihnen übernachten. Falls das nicht möglich ist, könntest du vorübergehend in eine Pension oder in ein Frauenhaus gehen. Stell dir am besten eine Liste mit den Kontaktinformationen zusammen.
Diese Dinge solltest du mitnehmen:
- Bargeld
- Papiere (Personalausweis, Reisepass, Führerschein, Fahrzeugschein, Krankenkassenkarte)
- Bankkarte
- Smartphone, Laptop
- Kleidung
- Medikamente
5. Hol dir professionelle Hilfe.
Möglicherweise traust du dir selbst nichts mehr zu und leidest unter Ängsten oder Depressionen. Eine Therapie kann dir helfen, mit der erlittenen verbalen Gewalt fertig zu werden.
Auswirkungen verbaler Gewalt auf deine Psyche
Die Auswirkungen verbaler Gewalt auf die Psyche können verheerend sein und sich auf verschiedene Ebenen manifestieren. Ständige Demütigungen, Beleidigungen und herablassende Kommentare können das Selbstwertgefühl erheblich beeinträchtigen und zu einem negativen Selbstbild führen. Opfer verbaler Gewalt können beginnen, an ihren Fähigkeiten und ihrer eigenen Würde zu zweifeln, was zu einem Gefühl der Wertlosigkeit und Unzulänglichkeit führen kann.
Darüber hinaus können sie sich isoliert, unverstanden und allein gelassen fühlen, da die Täter oft versuchen, ihre Opfer von ihrem sozialen Umfeld abzuschneiden. Diese anhaltenden psychischen Belastungen können zu Angstzuständen, Depressionen, Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen psychischen Erkrankungen führen, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen können.
Es ist wichtig zu erkennen, dass verbale Gewalt nicht nur oberflächliche Wunden hinterlässt, sondern auch tiefe seelische Narben, die Zeit, Unterstützung und professionelle Hilfe zur Heilung benötigen.
Die Gesetzeslage
Du möchtest gesetzlich gegen deinen Lebenspartner vorgehen? Häusliche Gewalt stellt keinen eigenen Straftatbestand dar. Nötigung (§ 240 StGB) und Beleidigung (§ 185 StGB) sind allerdings sehr wohl strafbar. Darum solltest du versuchen, Beweise zu sammeln. Das ist schwierig, wenn seine Entgleisungen ausschließlich mündlich passiert.
Aber vielleicht schickt dir dein Partner zusätzlich verletzte Botschaften per SMS, E-Mail oder WhatsApp. Eventuell bekommt doch ein Außenstehender etwas von den Demütigungen mit und ist bereit, als Zeuge gegen deinen Freund oder Ehemann auszusagen.
Am 11. Dezember 2001 ist das „Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen“ (Gewaltschutzgesetz) in Kraft getreten.
Im Fall häuslicher Gewalt kann dein Lebensgefährte
- aus der Wohnung / aus dem Haus verwiesen werden (auch, wenn er der Eigentümer oder Hauptmieter ist),
- das Recht verlieren, die Wohnung / das Haus zu betreten und
- ein Kontaktverbot auferlegt bekommen. Das heißt, er darf dich weder anrufen, noch per E-Mail, SMS, WhatsApp oder über soziale Medien kontaktieren.
Noch ein wichtiger Hinweis: Mit häuslicher Gewalt ist seelische, sexuelle und körperliche Gewalt aller Art gemeint. Als häusliche Gemeinschaft gelten dabei Menschen (Erwachsene und Kinder), die zusammenleben. Es spielt keine Rolle, ob ihr verheiratet seid oder ohne Trauschein zusammenlebt. Das Gewaltschutzgesetz schützt dich auch im Fall von Stalking.
Du musst nicht in einer unglücklichen Beziehung ausharren. Bist du verbaler Gewalt ausgesetzt? Diese Situation musst du nicht ertragen. Vielleicht hat unser Artikel dir die Augen geöffnet. Falls du sofort Hilfe brauchst: Das bundesweite Hilfetelefon für Frauen als Opfer von Gewalt ist 365 Tage zu jeder Zeit erreichbar. Der Anruf ist kostenlos: 0800 / 0116016.
Eine der wichtigsten Lektion, die ich in meiner Partnerschaft gelernt habe, war folgender Lehrsatz:
„Du kannst einen Streit nur dann gewinnen, wenn du ihn vermeidest.“
Ich habe es im Bekanntenkreis erlebt und die Anzeichen waren sehr früh da, nur wollte meine Freundin das nicht sehen, bis es dann passierte.
Ein wirklich sehr lehrreicher Artikel!
Danke
Toller Artikel! Der hat mir sehr weitergeholfen.
Macht weiter so…
schöne Grüße
Andrea
Ich bin seit langem verbaler Gewalt ausgesetzt. Heute musste meine Enkeltochter mit anhören, wie mein Mann zu mir sagte, ich schmeiß dir die Tasse gleich ins Gesicht, als wir Kaffee tranken. Ich gehe arbeiten, mache den Haushalt, halte alles am laufen. Er ist seit Jahren krank und zu Hause. …