Verliebt zu sein, ist ein wunderbares Gefühl. Zu wissen, dass ein anderer Mensch dich mag, vielleicht mehr, als du dich selbst, kann dich in einen Rausch versetzen, aus dem du nie wieder erwachen möchtest. Siehst du dich nicht vor, wird dein Partner für dich zur unverzichtbaren Droge und du kannst in eine selbstzerstörerische Co-Abhängigkeit geraten.
Co-abhängig zu sein bedeutet, dass du dein Verhalten ausschließlich an deinem Lebenspartner ausrichtest, selbst wenn du dein eigenes Dasein dafür hintanstellen und dein wahres Ich aufgeben musst. Du verlierst dich aus den Augen, denkst nur noch an das Wohl deines Partners und ordnest dich unter bis hin zur Selbstverleugnung.
Wir verraten dir, welche Symptome dir zeigen, ob du bereits in einer Beziehungsabhängigkeit steckst und was du tun kannst, um dich aus diesem ungesunden Teufelskreis zu befreien.
Co-Abhängigkeit – was ist das?
Ursprünglich stammt dieser Ausdruck aus dem Suchtbereich. Ist jemand süchtig, sind davon auch die Menschen in seinem Umfeld betroffen. Oft versuchen Angehörige, dem Süchtigen zu helfen, ihn zu beschützen, zu rechtfertigen und zu warnen.
Frauen von Männern mit Alkoholabhängigkeit denken sich beispielsweise Alibis für den Arbeitgeber aus, um ein alkoholbedingtes Fehlen zu entschuldigen. Kinder tablettensüchtiger Mütter waschen, putzen und kochen, um die Familie am Laufen zu halten. Mütter nehmen Kredite auf, um die Schulden spielsüchtiger Kinder zu bezahlen.
Mittlerweile hat sich dieser Begriff auch im Bereich der Beziehungs-, Romanzen- oder Sexsucht und für Missbrauchsbeziehungen etabliert, da du eine derartige Beziehungsstörung auch ohne das Vorliegen einer Drogen- oder Alkoholabhängigkeit oder eine narzisstische Störung des Partners entwickeln kannst.
Wie kommt es zur Abhängigkeit innerhalb einer Beziehung?
Co-Abhängige zeigen eine Reihe von Verhaltensweisen, die wirkliche Nähe zu sich und zu anderen und damit auch erfüllende Beziehungen unmöglich machen. Sie sind süchtig nach Anerkennung und Kontrolle. Einerseits haben sie vielleicht nicht gelernt, sich selbst zu lieben, andererseits können sie es auch nicht anderen überlassen, was diese für sie empfinden.
Vielmehr versuchen sie, Liebe und Bestätigung dadurch zu erhalten, dass sie sich innerhalb einer Beziehung allein auf die Bedürfnisse des Partners konzentrieren und diese um jeden Preis erfüllen wollen. Verhält sich ihr Gegenüber dennoch nicht, wie sie es gern hätten, schreiben sie dies ihrem eigenen Versagen zu.
Co-Abhängigkeit beginnt dort, wo du kontrollieren möchtest, was mit oder in deinem Lebenspartner geschieht. Du möchtest sein Denken, Fühlen, Tun und Handeln nicht mehr ihm überlassen, sondern selbst die Verantwortung dafür übernehmen.
Du kannst den Anderen nicht als eigenständiges Wesen respektieren, weil du dich selbst nicht als solches empfindest.
Möglicherweise liegt die Wurzel der Beziehungssucht in deiner Kindheit. Hast du vielleicht in jungen Jahren die Erfahrung gemacht, dass du nur dann geliebt wirst, wenn du dich nützlich machst? Hattest du das Gefühl, abgelehnt oder nicht ernst genommen zu werden, wenn du deinen eigenen Bedürfnissen gefolgt bist oder deinen Emotionen Raum gegeben hast?
Diese Erfahrungen haben dich verletzt, obwohl sie mehr mit deinem Umfeld zu tun hatten als mir dir selbst. Sie können die Ursache für das Gefühls- und Glaubensmuster sein, dass du nur liebenswert bist, wenn du dich zurücknimmst und dein Handeln und Streben stattdessen auf die Bedürfnisse und Erwartungen anderer ausrichtest.
Welche Folgen drohen, wenn du dich nicht befreist?
Deutschlandweit sind rund acht Millionen Menschen beziehungsabhängig, die meisten davon Frauen. Viele von ihnen stecken in Missbrauchsbeziehungen mit narzisstischen Partnern fest, die ihnen nicht guttun, von denen sie sich aber nicht lösen können.
Da Co-Abhängige durch ihre ständige Bereitschaft alles geben und nicht in der Lage sind, „nein“ sagen zu können, stehen sie permanent unter Stress. Sie haben häufig psychosomatische Symptome wie Kopfschmerzen und Verspannungen oder leiden unter einer Depression.
Oft entwickeln beziehungsabhängige Personen einen Alkohol-, Medikamenten- oder Nahrungsmittelmissbrauch.
Woran kannst du erkennen, ob du co-abhängig bist?
- Gerätst du ständig in schlechte Beziehungen?
- Fühlst du dich ohne das Gefühl, gebraucht zu werden, schnell unbedeutend, überflüssig oder nutzlos?
- Stellst du deine eigenen Bedürfnisse zugunsten deines Partners häufig hinten an?
Das können Anhaltspunkte für ein co-abhängiges Verhalten sein.
Seien wir mal ehrlich: Ein kleines bisschen Abhängigkeit existiert in jeder Partnerschaft. Zwei Menschen verlieben sich und binden sich emotional aneinander – wahrscheinlich möchte niemand in diesem Moment verlassen werden.
Es ist ganz normal, dass du dich zu Beginn einer Liebesbeziehung verstärkt um dein Gegenüber bemühst.
Schwierig wird es, wenn du dich ständig dem Glück des anderen unterordnest und nicht „nein“ sagen kannst, egal, was er von dir will. Ob du Besorgungen für ihn erledigen, deine Haarfarbe verändern, ihm zuliebe auf Treffen mit Freunden oder sogar auf Nachwuchs verzichten sollst – du tust es, auch wenn du dich damit nicht gut fühlst.
Natürlich ist eine Ehe oder Lebenspartnerschaft mit vielen Kompromissen verbunden. Du musst aber nicht alles aufgeben, um immer den Wünschen und Erwartungen deines Partners zu genügen. Wenn du ständig seine Bedürfnisse über die deinen stellst, hältst du vielleicht deine Beziehung aufrecht, verlierst dich aber am Ende selbst.
Typisch für Beziehungsabhängige sind ein erhöhtes Verantwortungsgefühl für eine andere Person sowie eine Tendenz, Mitleid mit Liebe zu verwechseln. Diese Charakterzüge führen dahin, dass du dir immer wieder Menschen suchst, die du umsorgen oder „retten“ kannst, um dich gebraucht zu fühlen.
Bist du beziehungsabhängig, überschreitest du in deinem Tun die Grenze des Normalen und gehst dabei bis zur völligen Erschöpfung. Erkennt dich dein Gegenüber nicht als „Retter“ an, empfindest du das mitunter als Beleidigung.
Um das Gefühl des Alleinseins oder des Verlassenwerdens zu vermeiden und Anerkennung zu bekommen, tust du am Ende alles, um an deiner Liebesbeziehung festzuhalten. Schlimmstenfalls lässt du dich ausnutzen, tolerierst Übergriffe und bist unehrlich zu Gunsten deines Partners.
Test: Bist du beziehungssüchtig?
Mit folgenden Fragen kannst du testen, ob du dich bereits in einer Abhängigkeitsbeziehung befindest:
- Kreisen deine Gedanken ständig um ihn oder sie?
- Fragst du dich dauernd, wie du ihn oder sie zufriedenstellen kannst und was du lieber nicht machen solltest?
- Übernimmst du Aufgaben, die eigentlich der andere erledigen sollte?
- Lügst du für deinen Ehe- oder Lebenspartner?
- Drohst du ihm mit Konsequenzen, die du jedoch nie in die Tat umsetzt?
- Erschüttert dich die Kritik deines Partners an deinem Aussehen, deinem Können oder deinen Hobbys zutiefst?
- Beschränken sich deine sozialen Kontakte zunehmend auf deine Partnerschaft?
- Hast du panische Angst vor einer Trennung?
- Hast du das Gefühl, dein Mann oder deine Frau liebt sich mehr als dich?
- Nimmt sich dein Partner mehr Freiheiten, als er dir zugesteht bzw. würde sich vor dir nicht im gleichen Ausmaß einengen lassen?
- Weißt du nicht, wie du ohne den anderen weiterleben sollst?
- Fühlst du dich in deiner Beziehung gefangen?
- Möchtest du ihn bzw. sie verlassen, weißt aber nicht, wie das gehen soll?
Diese Liste ist weder vollständig, noch handelt es sich dabei um einen wissenschaftlichen Test. Hast du jedoch drei oder mehr Fragen mit „ja“ beantwortet, empfehlen wir dir, eure Zweierbeziehung einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls Abstand zu suchen.
Aufmerksamkeit ist auch geboten, wenn dich Familienmitglieder oder Freunde auf deine Ehe oder deine Lebenspartnerschaft ansprechen. Außenstehenden erkennen Beziehungsprobleme häufig schon, wenn du selbst noch die rosarote Brille aufhast.
Manchmal können entsprechende Botschaften auch in ärgerlichen Aussagen versteckt sein, wenn dir Freunde beispielsweise vorwerfen, dass du dich überhaupt nicht mehr blicken lässt.
Auch zaghaftes Nachfragen, ob du glücklich bist und geliebt wirst, wie du dir das vorstellst, kann ein Signal dafür sein, dass irgendetwas nicht stimmt.
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Heilung
Dich aus einer Co Abhängigkeit zu befreien, um einer Depression und anderen unschönen Folgen zu entgehen, ist nicht einfach. Wenn du einmal darin gefangen bist, darfst du lernen, Verantwortung abzugeben, um dich aus der Situation zu lösen.
Wenn du erkannt hast, dass du eine Beziehungsstörung entwickelt hast, ist der wichtigste Schritt bereits getan.
Zu diesem Eingeständnis braucht es viel Mut, denn niemand gibt gern zu, dass er „süchtig“ ist. In deinem Fall süchtig nach einem Mann oder einer Frau.
Für den langen Weg zurück brauchst du Durchhaltevermögen, Motivation und vor allem Konsequenz. Warum du beziehungssüchtig geworden bist, ist dabei erstmal egal. Wichtig ist, dass du dich wirklich davon befreien möchtest.
Eine erste Maßnahme sollte sein, dir Hilfe bei Außenstehenden zu holen.
Das kann ein Familienmitglied sein, ein Freund, ein Arzt oder eine Selbsthilfegruppe. Hauptsache, du hast jemanden, mit dem du über die Situation reden kannst. Möchtest du anonym bleiben, findest du Menschen mit ähnlichen Problemen und Erfahrungen in Internetforen.
Wie das Helfersyndrom lässt sich auch die Co-Abhängigkeit häufig auf ein zu geringes Selbstwertgefühl zurückführen. Wenn du darunter leidest, ziehst du deinen Wert aus deiner Aufopferung für andere.
Wichtig ist, dass du dich aus dieser Opferrolle befreist und deine eigenen Bedürfnisse und Wünsche respektierst.
Erkenne deinen Wert in dir selbst, statt ihn bei anderen zu suchen.
Allein durch die Bestätigung deines Partners kannst du auf Dauer wahrscheinlich nicht glücklich sein. Höre auf deine innere Stimme und frage dich bei ungeliebten Dingen immer wieder, ob du das, was du gerade tust, für dich oder für den anderen machst.
Nützliche Tipps für deinen Weg aus der Beziehungsabhängigkeit
Von heute auf morgen bestimmte Beziehungs- und Verhaltensmuster zu vermeiden, wäre zu viel verlangt. Stattdessen kannst du dir schrittweise kleine Möglichkeiten suchen, wieder du selbst zu werden.
Achte zum Beispiel bei deiner Kleidung darauf, was du gerne trägst und was deine sogenannte bessere Hälfte lieber an dir sieht. Hast du vielleicht ein Kleidungsstück, das dir super gefällt und er aber gar nicht mag? Oder hast du ein Lieblingsessen, das du ewig nicht mehr gekocht hast, weil es dem anderen nicht schmeckt?
Denk darüber nach, welche Dinge dir früher wichtig waren und was du um des lieben Friedens willen aufgegeben hast. Integriere sie wieder in dein Leben und lass im Gegenzug Dinge weg, die du nur zuliebe deines Partners gemacht hast, die dir selbst aber überhaupt nichts geben.
Immer wenn dir ein solcher Schritt gelungen ist, kannst du dir ein neues Feld suchen und dir im Laufe der Zeit dein Selbstbewusstsein, deinen Selbstwert und letztendlich deine Lebensqualität zurückerobern.
Neues Selbstbewusstsein tanken und Spaß am Leben gewinnen
Ob freiwillig oder unfreiwillig – jahrelang in einer auslaugenden Beziehung zu leben, den Bezug zu sich selbst und damit auch das Selbstbewusstsein zu verlieren, geht nicht spurlos an einem vorüber.
Sobald du es geschafft hast, eine Abhängigkeitsbeziehung zu beenden, beginnt die emotionale Aufarbeitung, die manchmal Jahre dauert.
Gerade, wenn die Beziehungssucht nicht allein aus dir selbst heraus entstanden ist, sondern deine Aufopferungsbereitschaft ausgenutzt wurde, ist die Umstellung nicht einfach.
- Musstest du dir vielleicht anhören, dass du nie wieder jemanden finden wirst, der dich liebt?
- Wurde dir gesagt, dass du nicht liebenswert, sondern eiskalt berechnend und böse bist?
- Hat dein Ehepartner oder Lebensgefährte keine Gelegenheit ausgelassen, dir zu erzählen, dass du ohne ihn nichts wert bist?
Das dadurch verlorene Selbstbewusstsein musst du jetzt erst einmal wiederfinden.
Du wirst lernen, dich zu akzeptieren und zu lieben wie du bist, mit all deinen kleinen Fehlern, Ecken und Kanten. Lerne, dass das Leben Spaß macht und dass du alles tun kannst, worauf du während deiner Beziehung verzichtet hast.
Hast du deine sozialen Kontakte wegen deines Partners weitgehend eingestellt oder abgebrochen? Dann nimm sie unbedingt wieder auf.
Dir fällt es schwer, auf Familie und Freunde zuzugehen? Lass dich davon nicht abhalten. Sie werden sich vermutlich freuen, dass du dich endlich aus der Problemsituation befreien konntest.
Ist es dir gelungen, eine kraftzehrende Liebesbeziehung zu beenden, versucht dein ehemaliger Ehepartner oder Lebensgefährte unter Umständen, dich durch Manipulation zurückzugewinnen. In diesem Fall ist es ratsam, den Kontakt rigoros abzubrechen, auch wenn dir das nicht leichtfällt.
Für die endgültige Heilung ist es wichtig, dass du dir selbst und auch dem anderen verzeihst. Das heißt nicht, dass du sein Verhalten rechtfertigst, sondern dass du ihm vergibst, um positiv nach vorn schauen und dich fortan auf dein eigenes Wohlbefinden konzentrieren zu können.