Die Frage ist so alt wie die moderne Psychologie und beschäftigt Wissenschaftler seit Jahren: Wie viel Sex braucht eine Beziehung, um als „gesund“ zu gelten? Ist mangelnde sexuelle Aktivität per se ein Beziehungsproblem oder wird sie dazu gemacht?
Die Brisanz dieses Themas lässt sich recht anschaulich erläutern. Abseits des menschlichen Miteinanders gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie wichtig bzw. unwichtig das Sexualleben in Beziehungen ist – und wie gut oder schlecht Partnerschaften ohne Intimität funktionieren können.
Jedem Tierchen sein Plaisierchen
Gestatte uns ein paar „tierisch gute“ Vergleiche mit jenen Wesen, die mancher Person näherstehen als ihre Mitmenschen: vierbeinige Hausgenossen. Unter ihnen gibt es je einen Vertreter, dessen Sexualbeziehung exemplarisch herausragt – sowohl in diesem wie in jenem Sinne.
Sex im Tierreich
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Das Pferd…
…bzw. sein Gemächt ist Gegenstand zahlreicher schlüpfriger Witze und hat zum Bild des allzeit bereiten Liebhabers geführt. Tatsächlich besitzt der ausgeschachtete Penis beim Sex im Vergleich zum Ruhezustand eine beachtliche Größe. Doch „den Hengst“ machen männliche Exemplare ihrer Stute damit nicht.
Im Gegenteil! Der Deckakt ist mit rund 20 Sekunden eher kurz. Danach aber stehen die Tiere noch längere Zeit beisammen und zeigen sich durch gegenseitiges Beknabbern ihre Liebe.
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Bei Kaninchen und Hasen…
…stimmt das stereotype Bild. Die Herren der Schöpfung Langohr bespringen ihre Zippen mehrmals täglich und haben dabei jene Art von Sex, die gemeinhin als „Rammelei“ gilt: häufig, heftig und ohne große Umschweife. Verlockend klingt das nicht; ist aber effektiv und sehr zielgerichtet – denn als beliebte Beutetiere sind Kaninchen und Hasen fast immer auf der Flucht.
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Der Kater…
…geht wesentlich raffinierter vor. Für ihn und sein weibliches Pendant hat die Natur tief in die Trickkiste gegriffen. Der Penis männlicher Exemplare besitzt mehrere kleine Widerhaken, mit denen sich Herr Samtpfote förmlich in seiner Partnerin festsetzt. Zieht er das bewehrte Organ heraus, löst der Schmerz den Eisprung aus, der zur erfolgreichen Befruchtung führt.
Für den Kater heißt das, seine Frau so lange wie möglich in Beschlag zu nehmen, um andere am Decken zu hindern. In Folge dessen dauert Katzensex RICHTIG lange. Die größten Vertreter der Familie – Löwen – bringen es auf sage und schreibe 20 Stunden körperlicher Liebe.
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Das Schwein…
…ferkelt nicht etwa wild drauf los – sondern vollführt mit seiner Partnerin eine Reihe lustiger Spiele. Die Paare laufen nebeneinander her, überholen sich und versuchen einander zu fangen. Im Zuge dessen steckt der Eber immer wieder den Rüssel zwischen die Hinterläufe der Sau und hebt ihren Schinken in die Höhe.
Das sieht genauso ulkig aus wie es klingt und wird von der Schweine-Dame mit fröhlichem Quieken honoriert. Unabhängig dessen kann der Orgasmus eines Ebers bis zu 20 Minuten andauern – dabei produziert er bis zu einem Liter Ejakulat.
Welche Art von Beziehung pflegst du?
Wahrscheinlich fragst du dich, warum wir uns diesen kleinen Exkurs ins Tierreich gegönnt haben? Wir wollten dir zeigen, wie unterschiedlich einzelne Lebewesen den Sex praktizieren und wie viele Möglichkeiten es gibt, diesen Punkt einer Partnerschaft anzugehen.
Denn um beantworten zu können, welchen Stellenwert Sex in einer Beziehung einnimmt, spielt es eine große Rolle, auf welche Art von Beziehung du die Frage anwendest:
Der Freundschaftsdienst
Eine jahrelang vertraute Person, mit der du „durch dick und dünn“ gehst oder „Pferde stehlen“ kannst, wirkt nur selten sexy. Meist liegt das nicht an mangelnden Reizen, sondern am mangelnden Blick für solche. Kommt es schließlich doch zu einer Liebesnacht mit deinem besten Freund, hinterlässt das bei dir vielleicht ein seltsames Gefühl – das in einigen Fällen auch das Ende der Freundschaft bedeutet.
In einigen Fällen wird die Intimität auch überbewertet. Vor allem wenn dein „Kumpel“ bereits Gefühle für dich hat. In ihm hat sich vielleicht über Monate auch das sexuelle Bedürfnis nach dir aufgebaut. Dass es dieses von deiner Seite aus gar nicht gegeben hat, übersieht er dabei. Wahrscheinlich wäre er maßlos enttäuscht, wenn er wüsste, dass euer Sex nur eine andere Form der vertrauten Nähe ist.
In Beziehungen zwischen ziemlich besten Freunden wackeln die Bettpfosten in der Regel nur verhalten. Für die meisten ist „Sex haben“ wie das Sahnehäubchen auf dem Eisbecher: Eine traditionelle Komponente; aber nicht wirklich wichtig.
Die reine Sexualbeziehung
Manche Bündnisse basieren auf nichts anderem als sexuellen Begegnungen – und machen den Akt sozusagen essenziell. Triffst du dich mit einem (oder mehr) Menschen ausschließlich zum körperlichen Vergnügen, ist Sex haben quasi unabdingbar.
Dabei geht es genauso „direkt zur Sache“ wie bei Kaninchen oder Hasen. Auch deswegen, weil eine rein körperliche Beziehung ohne innere Bindung funktioniert – und der Partner unter ungünstigen Umständen ganz schnell weg sein kann.
Die Liebe zum Besonderen
Hegt ein oder beide Beziehungspartner bestimmte sexuelle Neigungen, dürfte die Antwort ebenfalls recht eindeutig ausfallen. Vielleicht gehörst du selbst zum Kreis derer, die Role Play oder Bondage lieben bzw. die einen Mann/eine Frau mit ausgeprägtem Fetisch kennen? Dann weißt du vielleicht, dass sexuelle Erfüllung ähnlich „tickende“ Mitspieler/-innen erfordert.
Weil sich die Suche und erst recht das Finden passender Gespielen/-innen teilweise schwierig gestaltet, hat das Sexleben in BDSM-Beziehungen einen besonderen Stellenwert und darf deswegen etwas anders bemessen werden.
Sie lässt sich in zweierlei Hinsicht mit Katzensex vergleichen: Wer auf Lustschmerz steht, braucht einen adäquaten Partner – und wer ihn gefunden hat, wird viel dafür tun, ihn zu halten.
Die Altersweisheit
Auch „in die Jahre gekommene“ Paare werden dir die Frage, wie wichtig sexuelle Handlungen sind, unter einem ganz eigenen Blickwinkel beantworten. Sie haben ihre „wilde Zeit“ gehabt und genießen körperliche Nähe oft vollkommen anders – nicht zuletzt deshalb, weil sie manches nicht mehr können, wie sie wollen.
Die Sexualität alternder Menschen gleicht dem Liebesspiel von Schweinen (wenn wir den Höhepunkt aus dem Spiel lassen): Die Partner haben Spaß miteinander; machen jedoch alles Mögliche – außer in klassischer Weise miteinander zu schlafen.
Wann ist Sex eigentlich Sex?
So viel zu den Arten von Beziehung, in denen Sex haben besonders wichtig oder konkurrenzlos unwichtig ist. Was aber ist der Maßstab in einer „normalen“ Partnerschaft; einer, die weder ausschließlich auf Beischlaf basiert noch außergewöhnliche Neigungen berücksichtigen muss?
Hier hilft es zunächst, Sex in einer Beziehung genau zu definieren.
Wo beginnt für dich das, was die meisten unter Sex verstehen? Ist es der Akt als solches oder sind es auch die innigen Küsse, die ihm vorausgehen? Beschränkt sich Sexualität auf den körperlichen Kontakt oder schließt sie die Vor- und Nachbereitung ein?
Dir darüber bewusst zu werden, hilft dir, dich in eurem Beziehungsgespräch richtig auszudrücken. Erläutere deinem Freund, wo aus deiner Sicht die Intimität anfängt – und mach dich auf eine handfeste Überraschung gefasst. Sehr viele Herren übersehen nämlich, wie viel Mühe und Zeit sexuelle Begegnungen kosten, lange bevor sie stattfinden.
Mehr als eine Bettgeschichte
Wenn es zutrifft, darfst du deinen Mann gern darauf hinweisen, dass der Kauf und das Anlegen scharfer Dessous bereits Teil des Sexes sind – schließlich bist du in diesen Momenten mit nichts anderem beschäftigt. Außer vielleicht damit, dir die Wirkung der Wäsche vorzustellen und dich in beste Stimmung zu versetzen.
Auch das Zupfen der Augenbrauen, das Bleichen des Damenbartes und das Enthaaren strategisch wichtiger Körperteile sind wesentliche Bausteine auf dem Weg zu Partnerschafts- oder Ehesex. Sie zu erwähnen ist vielleicht nicht erotisch; bei dauerndem Genörgel an der Beziehung aber möglicherweise besonders wichtig.
Damit aus der Nennung solcher Fakten kein neues Beziehungsproblem erwächst, sende sie als ICH-Botschaften.
„Ich möchte auf dich besonders verführerisch wirken.“ oder „Ich möchte mich während des Sexes wohl fühlen.“ klingt weniger angriffslustig als die Behauptung „Du weißt meine Mühe wohl nicht zu schätzen?!“ – und vermittelt der Zielperson ganz nebenbei auch noch das Gefühl wichtig zu sein.
Der „Wunsch nach Mehr“ als verstecktes Bedürfnis
Doch auch dein Beziehungspartner bzw. Mann könnte den Begriff weiter fassen und mehr meinen als die erotischen Handlungen. Wirft er dir in einem Beziehungsgespräch wiederholt mangelnden Sex vor, hat er vielleicht einen Blick in den Duden geworfen.
Dort wird das Wort als „Geschlechtsverkehr und dessen Darstellung“ umschrieben – zugleich aber auch als „Kurzform für Sexappeal“ und als „fremdsprachiger Ausdruck für Geschlecht“ gelistet.
Sexualität kann also sehr viel mehr sein als Körperlichkeit – nämlich das, was ihr vorausgeht oder sie begünstigt. Zum Beispiel die…
- Gesamtheit deiner Person,
- Inszenierung deines Körpers,
- Signale, die du aussendest,
- Informationen, die du zum Thema einholst
- oder Gespräche, die du darüber führst.
Behalte das im Hinterkopf, falls sich ein Beziehungsgespräch mal wieder um euer Sexleben dreht. Nicht immer geht es tatsächlich um die Häufigkeit des Aktes. Manchmal wünscht sich dein Partner „zwischen den Zeilen“ auch ganz andere Dinge von dir – zum Beispiel, dass du…
- offener oder spontaner sein
- auf dein Äußeres achten
- ihm als Sexpartner mehr Aufmerksamkeit zollen
- ein grundlegendes Beziehungsproblem nicht durch Sex(-Entzug) lösen solltest.
Hast du den Verdacht, dass dein Gegenüber genau das meint, fragst du am besten direkt nach. Anderenfalls lauft ihr Gefahr, die eigentlichen Störfaktoren beizubehalten und nur die Sexdichte zu erhöhen.
Wie wichtig ist Sex in einer Beziehung? 6 Vorteile des Liebesaktes
Wie wichtig Intimität in einer Beziehung ist, können wir dir nicht allgemeingültig beantworten. Die Art und Häufigkeit des Beischlafs folgt nach individuellen Bedürfnissen und hängt von zahlreichen Faktoren ab. Einige davon haben wir dir genannt und näher beleuchtet.
Nicht ganz zuletzt möchten wir noch ein paar Fakten sprechen lassen. Sie können dir aufzeigen, dass Sex ein regelrechtes Wundermittel ist – und aus ganz anderen Gründen wichtig für deine Beziehung sein kann:
1. Er kann die Grundlage für innere Verbundenheit sein
Erreicht der sexuelle Akt seinen Höhepunkt, schüttet dein Körper verschiedene Hormone aus. Eines davon ist Oxytocin – der gleiche Stoff, den stillende Mütter produzieren und dadurch innige Beziehungen zu ihren Babys aufbauen.
In Paar-Konstellationen hat Oxytocin einen ähnlichen Effekt. Hier sorgt es dafür, dass du dich deinem Beziehungspartner verbunden fühlst und fortan nur noch zu zweit durch Leben gehen willst.
2. Bettsport erhöht den Kalorienverbrauch
Wirst du sexuell aktiv, fließt mitunter ganz schön viel Schweiß – egal, ob du Blümchen Sex praktizierst oder dich das komplette Kamasutra turnst. Grund dafür ist ein erhöhter Energieverbrauch.
Kanadische Wissenschaftler haben ermittelt, dass Männer beim Sex rund vier Kalorien pro Minute verbrennen; du als Frau etwa drei. Im Vergleich dazu schneiden sportliche Betätigungen um ein Drittel schlechter ab.
3. Du kannst dadurch Schmerzen lindern
Zahnweh oder Magendrücken kannst du durch sexuelle Aktivität leider nicht lindern. Bei muskulären Verspannungen oder leichten bis mittelschweren Kopfschmerzen aber wirkt eine Prise Erotik Wunder, denn sie entkrampft.
Grund dafür sind die frei werdenden Endorphine. Sie wirken ähnlich wie Morphin – jener Stoff, den dein Körper bei Schmerzempfinden produziert und der in einigen Analgetika enthalten ist.
4. Sex stärkt deine Abwehr
In jedem – also auch in deinem – Organismus existieren so genannte Killerzellen, die das System vor schädlichen Bakterien, Keimen oder Viren schützen. Während des Orgasmus‘ erhöht sich ihre Anzahl sprunghaft, sodass deine Widerstandsfähigkeit gegenüber unerwünschten Eindringlingen steigt.
5. Er vermindert deine Stress-Anfälligkeit
Um eine bis dato unbestätigte These zu prüfen, wagten Forscher der Universität Göttingen im Jahr 2007 ein interessantes Experiment: Über einen bestimmten Zeitraum hinweg ließen sie eine Gruppe von Paaren nur miteinander reden; einer weiteren gewährten sie auch Sex.
Bei den Frauen, die abstinent bleiben mussten, war der Cortisol-Spiegel deutlich höher als bei den „Beischläferinnen„. Dadurch konnten die Wissenschaftler beweisen, dass sexuelle Aktivität die Bildung von Stress-Hormonen bremst – und damit das Risiko von Folgeerkrankungen mindert.
6. Du wirst durch ihn zur Stimmungskanone
Schließlich und endlich sorgt ein reges Sexleben für gute Laune. Die beim Partnerschafts- oder Ehesex produzierten Hormone liefern zahlreiche psycho-aktive Substanzen. Neben den bereits genannten Endorphinen und dem Beziehungs-Kleber Oxytocin enthält der Cocktail auch Dopamin – einen Stoff, der Glücksgefühle hervorruft und dich in eine Art Rausch versetzen kann.
Haben dich diese Argumente überzeugt? Dann sind sie vielleicht ein Anreiz, dem Sex mit deinem Beziehungspartner etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen und ihn genauso wichtig zu nehmen wie andere Aspekte eurer Partnerschaft.